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Ernst-Thälmann-Park

 

Brüche im Ortsbild
Der Ernst-Thälmann-Park und die Groß Glienicker Geschichte

An einem unscheinbaren Ort stellt sich in Groß Glienicke die Frage, wie man mit der Ortsgeschichte umgeht. Es ist ein verwildertes Grundstück an der Ecke Sacrower Allee/ Ernst Thälmannstraße. Wer davor steht, sieht zwei verrostete Stangen, ehemalige Fahnenstangen, außerdem Birken, einige davon abgesägt, weil sie tot waren, Kiefern, Gras und wild aufgewachsene Sträucher. Wer sich den Platz genau ansieht, entdeckt noch einen mächtigen Findling und einen roten Denkmalstein mit der schlichten Aufschrift „Ernst Thälmann zum Gedenken“. Diesen Platz hat die Gemeindevertretung, als Groß Glienicke noch selbstständig war, als öffentliche Grünfläche ausgewiesen. Nach 1990 wurde er noch lange von ehemaligen SED-Genossen gepflegt. Seitdem die private Pflege zum Erliegen gekommen ist, verwildert die Fläche.

Nun tut sich was: Das Grundstück hat einen Eigentümer, der würde es gern bebauen, und die Stadt Potsdam ist nicht abgeneigt, die öffentliche Grünfläche in Bauland umzuwandeln. Der Groß Glienicker Ortsbeirat hatte im November 2010 mit knapper Mehrheit die Stadt aufgefordert zu prüfen, „ob und wie der Ernst-Thälmann-Park als Grünzone erhalten werden kann“. Die Antwort: Mit der Uferlandschaft und dem Friedrich-Günther-Park habe Groß Glienicke ausreichend öffentliche Grünflächen, die Bereitstellung dieser Grünfläche sei „nicht zwingend erforderlich“. Das ist nachvollziehbar. Allerdings wurde nicht die Frage beantwortet, wie man mit dem Ernst-Thälmann-Park als historischen Ort umgeht. Das wird sich in diesem Frühjahr entscheiden.

Natürlich ist dieser kleine Park unbedeutend im Vergleich zu den Thälmann-Gedenkstätten, die andernorts in der DDR errichtet wurden. Ortsgeschichtlich allerdings sieht die Sache etwas anders aus. Denn der Thälmann-Park hat eine besondere Bedeutung in der Groß Glienicker DDR-Geschichte. Zum 7. Oktober 1959, zum zehnten Jahrestag der DDR-Gründung, wurde er eingeweiht. Wie in vielen Orten schuf man hier eine Gedenkstätte zu Ehren des mythischen Helden der Arbeiterklasse. Als sie noch intakt war, konnte man den weihevollen Charakter der Anlage erkennen. Rechts und links des Eingangs die Fahnenmasten, der Weg, der mitten durch die Anlage zum Gedenkstein führte, eingerahmt zur Rechten und zur Linken von einem Birkenrondell mit Sitzbänken.

Die Thälmann-Ehrung, die hier gepflegt wurde, war mehr als das Gedenken an den KPD-Führer, der von den Nazis ermordet worden ist. Hier sollte vor allem der Glauben an den Sozialismus gefestigt werden. Dieser Glaube war die Existenzgrundlage der DDR. Deshalb musste er immer wieder bezeugt werden, in Stadt und Land. In Groß Glienicke an dieser kleinen Weihestätte, die früher einen fast sakralen Charakter hatte. Im Grunde ist sie das Gegenstück zur Mauer, die unter Denkmalschutz gestellt (aber noch nicht als Gedenkstätte gestaltet) worden ist. Hier, mitten im Dorf: der Versuch, den Glauben an die Idee zu festigen; dort, an der Mauer: die Grenze der Überzeugungskraft, die harte Realität der Abriegelung des Staates.

Auch das ist ein Teil der Geschichte Groß Glienickes. Das ehemalige Dorf hat sich seit 1990 rasant verändert. Die Zahl der Einwohner ist von 1.500 auf über 4.000 gestiegen. Überall verschwinden die alten Datschen und werden neue Häuser gebaut. Jetzt geschieht, was in den 1920er Jahren mit der Erschließung der Glienicker Aue als Bauland begann und was von ca. 1940 bis 1990 unterbrochen war: die Verwandlung des Guts- und Bauerndorfes in eine bürgerliche Siedlungsgemeinde am Rande Berlins. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir ein geschlossenes Siedlungsgebiet mit vielen neuen Häusern, aber die historischen Brüche in unserer Ortsgeschichte wären kaum mehr erkennbar.

Dieses Problem wird jetzt beim Umgang mit dem Ernst-Thälmann-Park deutlich. Als öffentliche Grünanlage wird man ihn nicht mehr erhalten können, aber sollte er spurlos verschwinden? Ohne Erinnerung daran, wie anders der innere Kompass von Groß Glienicke zu DDR-Zeiten ausgerichtet war? Der Park grenzte an die Wilhelm-Pieck-Allee, wie die heutige Sacrower Allee seit 1960 hieß. Sie war die Hauptachse des sozialistischen Dorfes. Die Seepromenade war Grenzgebiet, dorthin sollte die Aufmerksamkeit nicht gelenkt werden.

Der Umgang mit der Ortsgeschichte ist kein nebensächliches Problem, wenn Groß Glienicke mehr sein will als nur ein Siedlungsraum für Bürger, die in Berlin oder Potsdam arbeiten. Zur Recht müht sich der Groß Glienicker Kreis, dass mit dem Erhalt des Gutsparks und des Potsdamer Tores die Rittergutsgeschichte sichtbar bleibt. Die Evangelische Kirchengemeinde hat viel geleistet, damit an der Dorfkirche und dem schön restaurierten Pfarrhaus mit der ehrwürdigen Linde noch etwas vom alten Dorf sichtbar ist. Trotzdem ist selbst hier baurechtlich noch nicht gesichert, dass der alte Dorfkern zwischen Kirche und ehemaliger Schule als Ensemble erhalten bleibt.

Das Rittergut, das Bauerndorf, das sozialistische Grenzdorf: Es ist höchste Zeit, dass wir uns darum kümmern, die Zeitschichten von Groß Glienicke nicht verschwinden zu lassen. Aufmerksame Spaziergänger sollten auch in Zukunft die politischen Brüche wahrnehmen können, die Groß Glienicke im 20. Jahrhundert erlebt hat.

Winfried Sträter (Beitrag für imchen, März 2012)

 

 

 

 

 

Thälmannpark 1959

1959 wurde der Ernst-Thälmann-Platz hergerichtet und eingeweiht. In den kommenden Jahrzehnten war er die örtliche Gedenkstätte des SED-Sozialismus.

 

 

Thälmannpark 2010

Nach 1989 wurde die Anlage noch einige Jahre gepflegt, verfiel danach aber zusehends.
Die beiden folgenden Abbildungen zeigen den Thälmann-Park im Jahr 2010

 

 

Thälmannpark 2010

 

 

 

Thälmannpark 2012

Als der Platz Bauland wurde, sorgte der Ortsbeirat auf Initiative von Winfried Sträter (Groß Glienicker Forum) dafür, dass ein etwa 5 Meter breiter Streifen als öffentliche Grünzone gestaltet wird. (die beiden folgenden Abbildungen).
Hier ist ein Schaukasten geplant, der die DDR-Geschichte von Groß Glienicke thematisieren soll - der vierte Geschichtschaukasten des Groß Glienicker Kreises.

 

 

Thälmannpark 2012

 

 

 

 

 

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Aktualisiert am: 15.01.2019